Karniplants Faszination fleischfressende Planzen

Faktencheck: Fressen Karnivoren auch Gemüse?

Gesundes Gemüse
Gesundes Gemüse

Pflanzen fressen in der Regel erst einmal gar nichts. Sie haben weder einen Mund noch einen Verdauungstrakt im herkömmlichen Sinne, nehmen ihre Nährstoffe und somit Nahrung also grundsätzlich anders zu sich. Doch wie wir alle wissen, bilden die fleischfressenden Pflanzen dabei eine entscheidende und wichtige Ausnahme. Sie fressen nämlich durchaus kleinere Insekten. Wenn auch nicht immer so, wie sich das einige in ihrer Fantasie vorstellen.

Statt mit einem riesigen Mund fangen die Karnivoren ihre Beute mithilfe von verschiedenen Fallen. Diese sind dabei ganz unterschiedlich stark ausgeprägt, weshalb die fleischfressenden Pflanzen sich untereinander auch sehr massiv unterscheiden. Außerdem gibt es sie in vielen Variationen und Arten. Angefangen von ganz kleinen, bis hin zu größeren Wuchsen, die vor allem in die Höhe sprießen oder Fallen bilden, die bis zu fünfzig Zentimeter groß werden können, gibt es fast alles.

Erwischt! Mahlzeit.

In diesem Beitrag möchten wir uns nun aber der Frage widmen, ob fleischfressende Pflanzen auch Gemüse fressen. Diese Frage kommt auf, weil viele Fleischfresser per se durchaus Gemüse annehmen, selbst wenn sie es nicht direkt verwerten können und es auch nicht zu ihren Hauptnahrungsmitteln gehört. Doch wie machen das fleischfressende Pflanzen und was ist dran an dem Mythos?
Zeit, sich das Ganze genauer anzuschauen und die offenen Fragen endgültig zu klären.

Was fressen Karnivoren normalerweise?

Für gewöhnlich fressen Karnivoren, wer hätte es gedacht, Fleisch. Eine fleischfressende Pflanze frisst dabei aber natürlich keine großen Tiere und sie frisst ihre Beute auch nicht im herkömmlichen Sinne. Die Pflanze kaut also nicht, hat keine Zähne zum zerbeißen und verschlingt ihre Beute ebenso wenig, wie sie sie im Magen verdaut. Der Mechanismus funktioniert bei ihr etwas anders.

Typisches Pflanzenfutter.
Fliege auf Blatt

Fleischfressende Pflanzen bilden an einigen Blättern Fallen aus. Diese Fallen sind dauerhaft geöffnet und locken mit ihren Duftstoffen und einem Farbenspiel die jeweilige Beute an. Das sind meist Ameisen, kleine Käfer, oft auch Fliegen und Insekten aller Art. Die so angelockten Tiere verkleben sich in den Fallen oder geraten in eine Flüssigkeit, aus der sie keinen Ausweg mehr finden und somit ertrinken. Die Venusfliegenfalle schließt ihre Fallen sogar fast vollständig, was dann doch ein wenig an einen Mund erinnert, natürlich aber trotzdem ganz anders funktioniert.

Viele Karnivoren sterben, wenn sie zu oft gefüttert werden, da es zu einer Nährstoffüberversorgung, einer Überdüngung kommt. Einer der Gründe, warum eine Karnivore nicht gefüttert werden sollte.

Am Ende bildet die Pflanze innerhalb der Falle eine Verdauungsflüssigkeit, genauer gesagt ein Enzym, um ihre gefangene Beute zu zersetzten und die Nährstoffe entsprechend verwerten zu können. Was übrig bleibt, ist Unverdauliches, wie beispielsweise der Chitinpanzer von Käfern. Die Falle selbst stirbt oft vollständig ab, nachdem sie einige Male Beute gefangen hat, da der gesamte Prozess für sie extrem kräftezehrend und aufwendig ist. Sie benötigt für ihre Fallen und die Verwertung also jede Menge Energie.

Warum sollten fleischfressende Pflanzen Gemüse fressen?

Die Antwort auf diese Frage liegt eigentlich auf der Hand. Obwohl die Karnivore, also die fleischfressende Pflanze, wie ihr Name vermuten lässt, Fleisch isst, ernährt sie sich nicht ausschließlich davon. Eigentlich sogar eher gar nicht. Karnivoren sind nicht permanent auf der Jagd nach Beute und in der Regel auch nicht abhängig von ihr. Es ist für sie eher ein Art von Snack. Oder anders gesagt: Eine Nährstoffquelle, wenn der Boden nichts mehr hergibt.

Der gesamte Mechanismus ist also eine Form von Anpassung an die Umgebung, sodass sich die Karnivore, wenn ihr wichtige Nährstoffe fehlen, auch anders behelfen kann. Die Fallen dienen daher nicht ausschließlich dazu, Beute zu fangen, sondern sind von der Evolution entwickelt, um einen Nährstoffmangel auszugleichen. Findet die Pflanze nicht genug Nährstoffe im Boden, kann sie Tiere fangen und verwerten, um daraus ihre benötigte Energie zu ziehen.

Das Ganze wird noch interessanter, weil fleischfressende Pflanzen einen eher nährstoffarmen Boden bevorzugen und gar nicht so hohe Ansprüche besitzen. Sie stellen ein paar spezielle Voraussetzungen an das Substrat, in dem sie wachsen, doch ansonsten geben sich die interessanten Pflanzen mit überraschend wenig zufrieden und kommen auch unter harten Bedingungen noch problemlos zurecht. Vor allem in der Natur sind Karnivoren echte Überlebenskünstler.

Zum Beitrag:

Karnivorenerde: Was ist das und woraus besteht sie?

Es würde also durchaus Sinn ergeben, dass die Falle nicht ausschließlich Fleisch verdaut, sondern eben einfach alles andere, was in ihr Inneres gelangt. Das wiederum würde bedeuten, dass auch Gemüse, welches in die Falle gerät (zum Beispiel, weil ein Vogel es zufällig fallen lässt) entsprechend verdaut und verwertet wird. Es würde sogar fast schon Sinn ergeben.

Können Karnivoren Gemüse überhaupt verdauen?

Eine interessante Frage, die sich auch ein Team von der Universität Wien gestellt hat, ist die Frage, ob Karnivoren Gemüse verwerten können. In einer Studie, die schon etwas zurückliegt und die das Thema behandelte, ging es um genau diese Frage. Können Wasserschläuche so etwas wie Gemüse überhaupt verdauen? Können fleischfressende Pflanzen als solche auch Pflanzen verdauen?

Wasserschlauch
Es gibt fast 250 verschiedene Wasserschläuche.

Der Wasserschlauch stellt die wohl umfangreichste aller Gattungen der Karnivoren dar. Mit an die 250 verschiedenen Arten ist seine Vielfalt regelrecht beeindruckend. Auch einer der Gründe dafür, warum er sich wunderbar als Versuchsobjekt eignet. Doch kommen wir zu den Erkenntnissen, die die Studie an der Universität Wien mit sich brachte.

Das Team von Forschern fand heraus, dass der Wasserschlauch seine Fallen, die sogenannten Saugfallen, durchaus auch dazu verwendet, etwas anderes als kleine Tiere und Insekten zu fangen. So gelangen beispielsweise unzählige Algen in das Innere seiner Fallen. Algen sind natürlich kein Fleisch, weshalb es die Frage auswirkt, ob der Wasserschlauch in der Lage ist, diese überhaupt zu verdauen bzw. effektiv zu verwerten.

In der Studie wurde deutlich, dass sogar mehr als die Hälfte der Beute, die der Wasserschlauch fängt, aus Pflanzenpollen und Algen besteht. Außerdem wurde in der Studie klar, dass dies keine Art von Beifang ist, der in irgendeiner Art und Weise wieder ausgeschieden wird, sondern es sich um Beute handelt, die genau so vom Wasserschlauch verwertet wird wie die Beute tierischen Ursprungs.

In der Studie wurden unter anderem verschiedene Wachstumsdaten der Pflanzen genauer betrachtet und untersucht. Diese lassen den Schluss zu, dass auch pflanzliche Teile von Karnivoren entsprechend verwertet werden können.

Quelle:

Koller-Peroutka, Marianne et al. (2014): Capture of algae promotes growth and propagation in aquatic Utricularia.
In: Annals of Botany, (18. Dezember 2014), doi:
10.1093/aob/mcu236.

(Deutsche Zusammenfassung:
www.derstandard.at)

Pflanze isst Pflanze (ist das Kannibalismus?)

Ist die Studie nun also ein Beweis dafür, dass Pflanzen auch Pflanzen essen? Genauer gesagt, dass fleischfressende Pflanzen andere Pflanzen fressen und in ihren Fallen eben nicht nur Insekten und Tiere fangen? Wohl kaum, denn Studien sind immer nur ein Aspekt des Ganzen und es müssten weitere Versuche erfolgen, um das Gesamtbild noch klarer erscheinen zu lassen.

Ob das auch Karnivoren schmeckt?
Ob das auch Karnivoren schmeckt?

Sicher scheint jedoch zu sein, dass fleischfressende Pflanzen sehr wohl auch Pflanzenteile verdauen können und dies auch tun. Der Wasserschlauch, so sagt die Studie, verwendet die Algen und Pflanzenteile vermutlich, um Phosphor zu gewinnen. Zumindest liegt dies nahe. Ein interessanter Aspekt, denn dann dienen die Fallen der Karnivoren wirklich nur der Nährstoffversorgung, wenn alle anderen Systeme versagen. Dann geht es auch nicht darum, dass sie ausschließlich Fleisch verdauen können, sondern dies eher ihre Besonderheit ist, nach der sie benannt wurden, sie aber sehr wohl auch alles andere verwerten, was sie fangen können.

Eine weitere Frage hätten wir am Ende dann ebenfalls noch. Wenn eine Pflanze eine andere Pflanze frisst, handelt es sich dann nicht, zumindest in irgendeiner Art und Weise, um Kannibalismus im Pflanzenreich? Nach der Definition natürlich nicht, doch wir denken, ihr wisst, wie wir das meinen. Wie immer mit einem Augenzwinkern.

Ein Fazit

Zeit für ein Fazit. Was lernen wir aus der Studie, den Informationen oder der Tatsache, dass fleischfressende Pflanzen noch mehr als nur Fleisch fressen? Vielleicht gar nicht so viel, wie einige vorab gedacht haben. Oder habt ihr wirklich geglaubt, dass eine fleischfressende Pflanze nur das Fleisch verwertet? Ist es nicht immer der Fall, dass Fleischfresser weit mehr verwerten als nur das Fleisch ihrer Beute?

Gesundes Gemüse
Gesundes Gemüse

Natürlich, denn das muss auch so sein. Der Wolf, der im Magen seiner Beute viele Nährstoffe findet, die er sonst gar nicht aufnehmen würde, wäre das erste Beispiel, was uns einfällt. Weil auch das Beutetier natürlich frisst und dementsprechend Nährstoffe enthält. Bei der fleischfressenden Pflanze ist das alles eine Nummer kleiner, aber ebenso logisch. Ein Beutetier ist mehr als nur Fleisch und gerade wenn die Karnivoren im Wasser leben, dürfte klar sein, dass dort mehr als nur Tiere in die Fallen gelangt.

Zum Beitrag:

Die 5 Fallen der fleischfressenden Pflanzen

Überraschend ist die Studie daher nicht, wohl aber die Erkenntnis aus ihr. Weil sie uns wieder einmal vor Augen führt, dass wir weiter denken müssen. Eine fleischfressende Pflanze ist weder ein blutrünstiger Jäger, noch ist sie ein reiner Fleischfresser. Es handelt sich vielmehr um Pflanzen, die gelernt haben, einen akuten Nährstoffmangel auf andere Art und Weise auszugleichen. Dass in der Falle nicht immer nur Fleisch ist, dürfte dabei fast schon sicher sein. Wir denken darüber nur noch mehr weiter nach.

Es ist am Ende also vor allem der Name, der uns daran glauben lässt, dass die fleischfressende Pflanze eben nichts anderes tut als das – nämlich Fleisch fressen. Doch wie immer ist die Sache eher ein Mythos, als Realität.

Wir hoffen, ihr fandet den Beitrag spannend. Teilt ihn gerne mit euren Freunden. Wir lesen uns dann im nächsten Blogartikel und wünschen euch bis dahin alles Gute.


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