Faktencheck: Können fleischfressende Pflanzen rechnen?

In unserem letzten Faktencheck stellten wir die Frage, ob Karnivore Gemüse fressen. Eine sehr interessante Frage,
denn viele Fleischfresser sind durchaus in der Lage, Gemüse zu verwerten. Warum sollte das bei fleischfressenden
Pflanzen also anders sein? Das Ergebnis der Frage findet ihr im entsprechenden Artikel hier im Blog. Heute soll es aber um etwas anderes gehen.
Aktuell kam wieder einmal die Frage auf, wie schlau fleischfressende Pflanzen im Detail eigentlich sind oder sein können. Diese Frage stellen sich nicht nur Forscher immer wieder, auch wir haben uns dies schon das ein oder andere Mal gefragt, wenn wir die raffinierten Fallensysteme der Pflanzen beobachten konnten. Schließlich liegt es auf der Hand, dass die Karnivoren irgendeine Art von Gehirn besitzen müssen, um all die komplizierten Mechanismen überhaupt steuern und kontrollieren zu können.
Doch ist dem tatsächlich so? Haben Pflanzen ein Gehirn und ist das biologisch überhaupt möglich? Die heutige Frage befasst sich mit einem Versuch und Forschern, die mehr oder weniger herausfanden, dass Karnivore rechnen können. Doch wir möchten nicht schon alles vorwegnehmen. Fangen wir also ganz am Anfang an und beantworten die Frage dann nach und nach immer ausführlicher.
Inhalt:
Klappenfallen der Venusfliegenfalle

Wissenschaftlich gesehen geht es bei der Frage, ob fleischfressende Pflanzen rechnen können, vor allem um die Venusfliegenfalle. Das Interesse beruht dabei auf der Funktionsweise der Fallen, die bei der Venusfliegenfalle eine kleine, aber doch entscheidende Besonderheit aufweisen.
Beim Fangmechanismus der Venusfliegenfalle schnappen die Fangblätter nämlich sehr ruckartig zu, sobald sich ein Insekt im Inneren der Falle befindet. Das Besondere und überaus verblüffende dabei: Der Fangmechanismus wird nur dann in Gang gesetzt, wenn sich wirklich ein Insekt in der Falle befindet. Wenn das nicht der Fall ist, bleibt nicht nur die Falle geöffnet, auch wird kein Verdauungssekret im Inneren der Falle produziert. Ziemlich clever, nicht wahr?
Die Venusfliegenfalle geht somit auf Nummer sicher und teilt sich ihre Energie gut ein. Weder erzeugt sie Verdauungssäfte, noch beginnt sie mit dem kraftraubenden Prozess des Fallenschließens, ehe sie nicht ganz sicher sein kann, dass sich tatsächlich ein Insekt, also Beute innerhalb der Falle befindet.
Verdauungsenzyme je nach Größe der Beute

Die Falle der Venusfliegenfalle ist aber auch aus einem anderen Grund besonders interessant. Sie erfasst nämlich sehr
genau, wie groß die jeweilige Beute tatsächlich ist. Damit unterscheidet die fleischfressende Pflanze aktiv zwischen kleiner und großer Beute und stellt dementsprechend ihren Angriff um bzw. passt sich die Pflanze selbst automatisch an.
Wissenschaftler fanden heraus, dass tatsächlich und je nach Beute unterschiedliche Mengen an Verdauungsenzymen und Flüssigkeiten produziert werden. Somit stellt die Venusfliegenfalle jederzeit sicher, dass sie nicht verschwenderisch mit ihren Ressourcen umgeht. Das ist ungemein intelligent, wenn man es so nennen möchte, vor allem aber auffallend geschickt, weshalb sich wieder die Frage stellt, inwiefern Pflanzen denn nun wirklich denken können.
Diese Frage drängt sich dabei regelrecht auf. Sind es am Ende nur einfache Sensoren oder doch mehr als komplexe Vorgänge, die der Pflanze schlussendlich signalisieren, ob sich lediglich eine Ameise oder ein dicker Käfer zwischen
ihren Fangblättern befindet?
Fünf Kontakte als elektrisches Signal

Um sicherzugehen, was die Beute betrifft, muss sich im Inneren der Fangblätter erst einmal einiges bewegen. Nur wenn die feinen Sinneshärchen innerhalb der Falle mehrmals kräftig berührt wurden, reagiert die Venusfliegenfalle überhaupt und schließt ihre Blätter. Erst nach diesen Reizen wird die Beute also gefangen genommen und es werden Verdauungssäfte produziert, die selbige zersetzen und verwerten sollen.
Dafür forschte Rainer Hedrich an der Universität in Würzburg. Zusammen mit seinem Team fand er dabei heraus,
wie oft und wie die Tasthaare im Inneren der Falle berührt werden müssen, um entsprechend auf Beute zu reagieren. Auch elektrische Signale im Gewebe der fleischfressenden Pflanzen wurden für den Versuch gemessen.
Das wiederum sorgte für mehr Verständnis, denn obwohl eine einzelne Berührung der Tasthaare innerhalb der Falle nicht ausreicht, sendet bereits diese erste Berührung einen elektrischen Impuls. Genau solche Spannungen sind es, die im tierischen Nervensystem mit für die Reizleitung verantwortlich sind. Hochinteressant also, dass eine Pflanze ebenfalls diesen Impuls sendet, der noch dazu dem des tierischen Nervensystems ähnelt.
Damit war klar, dass die Pflanze die Berührung aktiv mitbekommt, aber mehr oder weniger bewusst ignoriert. Erst bei mehrmaligen Berührungen, um genau zu sein, sind es fünf Berührungen, reagiert die Venusfliegenfalle entsprechend, indem sie ihre Fangblätter schließt und Verdauungsenzyme produziert.
Kann die Venusfliegenfalle rechnen?
Der Mythos, der nun zu beantworten wäre, befasst sich mit der Frage, ob Pflanzen wie die Venusfliegenfalle tatsächlich zählen oder gar rechnen können. Wenn sie erst nach mehrmaligen Berührungen ihre Fallen schließen und somit auch erst nach fünf entsprechenden Impulsen ihre Enzyme zur Verdauung freisetzen, müssten sie doch eine Art von Mechanismus besitzen und zählen können. Oder nicht?
Die Theorie klingt einfach, doch Pflanzen bleiben pflanzen. Können Karnivore also zählen oder gar rechnen? Vermutlich ist es eher eine Art einprogrammierter Filter, über den sich die Pflanze als solche keine Gedanken macht. Wie auch, wenn sie kein Gehirn als Steuerzentrum besitzt. Die Impulse, die im Inneren der Pflanze umhergehen, die sogar ähnlich zum Nervensystem bei Tieren sind, scheinen dennoch hochinteressant für weitere Forschungen zu sein. Inwieweit steuert die Pflanze diese Vorgänge aktiv?
Abschließend würden wir nicht sagen, dass die Venusfliegenfalle rechnen kann. Eher, dass sie quasi darauf programmiert ist, nach einer bestimmten Anzahl an Berührungen ganz spezielle Aktionen auszulösen. Es ist also ein Jein, denn immerhin nimmt sie die Zahl der Berührungen durchaus gesondert wahr, auch wenn das am Ende nichts mit dem klassischen Rechnen zu tun hat. Jedenfalls nicht mit dem Rechnen, welches wir aus der Schule her kennen.
Interessant sind solche Mythen aber dennoch. Habt ihr ebenfalls solche oder ähnliche Fragen? Oder habt ihr
schon einmal etwas gehört, von dem ihr kaum glauben könnt, dass es wahr ist? Dann schreibt uns schnell eine E-Mail. Wir begeben uns immer wieder gerne auf die Suche nach Antworten, wenn es um die fleischfressenden Pflanzen und ihre atemberaubenden Besonderheiten geht.